Tim Krabbé: Verspätung
Dreißigeinhalb Jahre ist es inzwischen her, daß der 17jährige Jacques
Bekker mit seinem Moped von Amsterdam nach Ostende aufbrach und dort Moniek
kennenlernte, das Mädchen, mit dem er nur eine Nacht und einen Morgen
verbrachte und das ihm später per Brief mitteilte, es sei alles nur ein
Spaß gewesen, doch das er dennoch keine Stunde seitdem vergessen konnte.
Dreißigeinhalb Jahre später ist alles, was er von ihr noch weiß, daß sie
inzwischen in Australien lebt, wo Jacques einen ungeplanten Zwischenstop
auf der Rückreise von Neuseeland einlegen muß, weil sein Flugzeug
Verspätung hat. Er findet ihren Namen im Telefonbuch von Sydney, fährt zu
ihr und findet sich nur Stunden später mit ihr auf einer wahnwitzigen
Flucht quer durch Australien.
Moniek hat inzwischen als "Madame Twenty" Karriere gemacht, ein
Modeimperium in Australien aufgebaut, das wegen finanzieller
Unregelmäßigkeiten vor dem Zusammenbruch steht, als sie keinen anderen Ausweg mehr sieht als unterzutauchen.
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Jacques folgt ihr wie in Trance, so willenlos wie einst als 17jähriger, und setzt mit unglaublicher Selbstverständlichkeit für die Frau seiner Jugendträume an seiner Seite die ganze bisherige Existernz aufs Spiel. Doch nagt in ihm die Furcht wie vor dreißig Jahren nur von ihr benutzt zu
werden. Und mehr und mehr tritt auch die Verzweiflung zutage, mit der sich
Moniek an ihn hängt, die Hoffnungslosigkeit, die Reise quer durch
Australien jemals zu einem Ende führen zu können, bis ein Mord Jacques jede
Chance auf einen Weg zurück verbaut.
Gefangen in der vollkommenen Ausweglosigkeit, trifft Jacques zum ersten Mal
wieder eine Entscheidung: "Einmal im Leben konnte eine Frau es wert sein,
für sie zu sterben, und er hatte die Möglichkeit, sie zu dieser Frau zu
machen, wenn er mit ihr stürbe." Und das erste Mal auf dieser Reise
verspürt er Gelassenheit und... Glück. Doch am Ende läßt er sich von einer
Illusion betrügen und er hat seine Chance für immer verspielt.
Das Buch endet mit einem erneuten Blick auf den Tag in Ostende, dieses Mal
aus den Augen Monieks. "Sie hatte einen Zug in einem Spiel gesetzt, dessen
Folgen sie noch nicht absehen konnte, aber eins war ihr deutlich: Es war
der entscheidende."
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